JA!

Ratssitzung vom 7.6.23Der Tag der Entscheidung über die Zukunft der Technischen Betriebe Herdecke … 17:00, die Bürgermeisterin Dr. Katja Strauss-KösterIm großen und ganzen ging es darum, ob es zum Bürgerentscheid kommt, mit allem was dazu gehört, oder der ganze Spuck vorbei ist und die TBH zur Stadt Herdecke zurückgeführt werden. Das es eine enge Kiste wird, wussten wir alle. Das wir am Ende gewinnen würden, auch. Also, entweder in der Sitzung, oder später mit dem Bürgerentscheid. Die Abstimmung in der Sitzung zu gewinnen hätte aber den Vorteil in erster Line der Stadt eine ganze menge Euros zu sparen, und allen beteiligten einen langwierigen Wahlkampf. Erst kam der Tagesordnungspunkt, der über die Rechtmäßigkeit des Bürgerbegehrens entscheiden sollte, aber da war eh klar, das es das war. Alles, was wir gemacht hatten, war 100% korrekt, und so wurde die Rechtmäßigkeit einstimmig anerkannt. Dann war es soweit… Der Tagesordnungspunkt, der mich über Wochen zum schwitzen gebracht hat, wenn ich nur dran dachte. Wo ich eine Rede für geschrieben habe, die ich in den größten Teilen auswendig konnte. Ich kam auch direkt als erster dran, und, konnte kein Wort mehr. Ein kurzer Blick auf meine Uhr verriet mir, das mein Puls bei 130 lag. Mein Herz fühlte sich an, als würde es gleich aus meiner Brust springen. Ich behalf mir, in dem ich die Rede ablas. Zu schnell, wie mir Pia Blothe direkt zuflüsterte. Diese konnte neben mir sitzen, weil Dr. Nadja Büteführ MdL von der SPD leider im Krankenhaus lag, und uns somit auch noch eine stimme fehlte. Ich las langsamer, was aber auch nicht gut war, denn ich wurde direkt darauf hingewiesen, das man nicht vorlesen dürfe… Also mit kurzen Blicken auf den Text zwischendurch versucht, eine halbwegs akzeptable Rede vor mich hin zu stammeln… Unfassbar, ging das in die Hose. Aber es hatte den Vorteil, für die Erheiterung der anderen Anwesenden zu sorgen. Naja, am Ende hatte ich die gröbsten Punkte alle angesprochen, wenn auch ein wenig durcheinander. Ich weiß nicht, wofür danach auf die Tische geklopft wurde, aber es kann nur sein weil ich endlich ein Ende gefunden hatte 😂Die genaue Reihenfolge der Redner nach mir kann ich nicht mehr sagen, da ich nicht mitgeschrieben habe, aber es müsste Andreas Disselnkötter gewesen sein, der nach mir dran war. Er versuchte uns weiß zu machen, das es jetzt die richtige Entscheidung wäre, selbst gegen unser Bürgerbegehren zu stimmen, um dann die Herdeckerinnen und Herdecker entscheiden zu lassen. Dumm nur, das man bei ihm da die Siegessicherheit in einem solchen fall raushören konnte. Weite teile der Koalition sind der Meinung gewesen, es würden gar nicht genug den gang zur Urne antreten wenn es so weit kommen würde. Darauf ging Klaus Klostermann von der SPD direkt ein, und betonte noch ein mal, das 3000 Unterschriften in 3 Wochen ja wohl Aussagekräftig genug seien, um heute eine Entscheidung fällen zu können. Doris Voeste wollte nicht so ganz in die Diskussion einsteigen, unterstellte aber unterschwellig, das es sich die Stadt gar nicht anders Leisten könne, da das Gebäude der TBH – als Beispiel – ja so Marode wäre, ein Privater investor sich aber ja sicher liebend gern um so was kümmere. DA war ich wieder dabei… aber erst kam Dennis Osberg von der Stadt dran, der ihr erklärte, das wir das Gebäude nicht mal brauchen würden, da die Stadt genug Räumlichkeiten zur Verfügung hat, und zählte diese direkt mal alle auf. Danach war ich wieder dran. Ich ging voll drauf ein, und spielte das Gedankenspiel mal mit. Was wäre denn, wenn ein Privater investor die Bude abreisst, eine neue hinstellt für 20-30 Millionen, das ding in 4 Jahren fertig ist, und wir -also Bürgerinnen und Bürger sowie der Rat- dann feststellen, die ganze Public Private Partnership Nummer ist doof, alles ist teurer geworden, der Service ist schlechter, also Rekommunalisieren wir das ganze wieder. Dann sagt der Private Partner „gern doch! Wir hätten dann gern mal 30 millionen für euer Verwaltungsgebäude, und weil alle Fahrzeuge mittlerweile über uns geleast sind, geben wir die wieder zurück und ihr habt ab morgen dann nix mehr. Viel erfolg!“ DANN könnten wir uns das gar nicht mehr leisten, es zurück zu führen, und wären voll und ganz abhängig. Klar, der absolute Worst-Case, aber wo es hingeht wenn man sich voll und ganz an ein Privatunternehmen hängt, haben wir grade bei Convivo gesehen. Enric Tange von der FDP führte an, die 3000 Unterschriften wären ja bestimmt nur aus unserem eigenen Umfeld, in den kreisen in denen ER verkehre, würden alle eine Teilprivatisierung befürworten, und er entsprechend nicht viel vom Bürgerbegehren halte. Entweder sind seine kreise sehr, sehr klein, oder halt nur die FDP, wahrscheinlich aber ja beides. Er führte aber auch als Paradebeispiel der Teilprivatisierung die Deutsche Bahn an, was für schallendes Gelächter selbst aus der Koalition sorgte. Was von Anfang der Sitzung an auffiel, war das der Fraktionsvorsitzende der €DU, Patrick Wicker, nicht auf seinem Platz saß. Dieser ist eigentlich der erste Platz von vorne. Nein, er saß auf dem zweiten Platz und hat, zum erstaunen aller, nicht einen Ton in der Diskussion gesagt. Diese ging fast eine Dreiviertelstunde, und es wurden eine menge mehr oder weniger zutreffende Argumente ausgetauscht.Abschließend sprach Irmingard Schewe-Gerigk von den Grünen, welche betonte wie sehr sie am Anfang auch für eine Teilprivatisierung war, doch mit der Zeit eingesehen hat, das dies für Herdecke der falsche Weg sei. Das die Fakten doch erdrückend seien, und 3000 geprüfte Unterschriften sehr beeindruckend. Eine sehr gute Rede, mit der vor allem keiner so wirklich gerechnet hatte, da sie ja nun mal bei den Grünen und somit Teil der Koalition ist. Auf jeden fall bekam sie eine Menge Zustimmung, aber von der falschen Seite. Von unserer. Die geheime Abstimmung wurde vorbereitet, und ich hatte zwischenzeitlich das Gefühl, in meinem Brustkorb wohnt ein Presslufthammer. Puls 140… Die einzelnen Ratsmitglieder wurden dem Alphabet nach vor gerufen, bekamen einen Zettel und sind dann hinter einen Sichtschutz gegangen, um dort entweder bei Ja, Nein oder Enthaltung ein Kreuz zu machen. Da es beim letzten mal scheinbar zu Verwirrungen kam ( ja ja, die Fragestellung war doof, Entschuldigung) hatte ich extra ein Din-A4 Blatt mit dick und fett JA! Drauf stehen dabei, welches ich eigentlich hoch halten wollte. Da aber wirklich jeder der Opposition der geredet hat, in seiner Rede betonte, das man mit Ja stimmen solle, hielt ich das für unnötig. Aber Dieter Kempka von den Linken fand es eine gute Idee, das Schild hoch zu halten als ich nach vorn gegangen bin. War witzig 😂Ich machte also mein Kreuz, und von da an dauerte es gefühlt ewig. Ewig, bis alle fertig waren, ewig bis die auszählenden, welche aus einer Person je Fraktion bestanden, in den Nebenraum gingen, und ewig bis sie wieder rauskamen, ohne eine Mine zu verziehen und somit ein Ergebnis zu Spoilern. Die Bürgermeisterin verkündete das Ergebnis. 17 gegen den Antrag, 18 dafür und 2 Enthaltungen!Wir haben gewonnen! Wir haben wirklich gewonnen! Augenblicklich löste sich die Spannung im Saal wie ein reißendes Gummiband und es gab für ein paar Sekunden Beifall und Bekundungen der Freude zu hören. Also, natürlich nur von der Seite der Opposition und aus dem Publikum, nicht von der Koalition. Von dort hörte man nur etwas wie „gibt es doch ein paar dumme hier“.Wahnsinn, was mir da für ein Stein vom herzen viel… eine Erlösung die fast so gut war, wie meine Scheidung. An dieser Stelle möchte ich mich noch ein mal bedanken, bei allen, die dabei mitgewirkt und geholfen haben. Bei jeder und jedem einzelnen, der oder die mit den Listen Unterschriften gesammelt hat bei Familien und Nachbarn, jedem der Herdecker Unternehmerinnen und Unternehmer, die die Listen ausgelegt und aktiv drauf hingewiesen haben, der SPD Herdecke und den DIE LINKE. Herdecke für ihren unermüdlichen Einsatz, und natürlich jedem einzelnen der überhaupt unterschrieben hat. Natürlich möchte ich auch den Ratsmitgliedern von CDU, FDP und den Grünen danken, die so mutig waren und gegen den Fraktionszwang gestimmt, oder sich enthalten haben. Ohne euch alle wäre das nicht möglich gewesen! Ihr alle seid die wahren Helden in dieser Nummer, die man so schnell nicht vergessen wird!!! Direkt nach der Ratssitzung wurde mir übrigens seitens der €DU angekündigt, mich noch in 8 Jahren für steigende Gebühren verantwortlich machen zu wollen. Aber einerseits sehe ich das schon als Kompliment, da man mich in 8 Jahren noch im Stadtrat sieht, und andererseits habe ich da jetzt schon die passenden Gegenargumente Parat ( die ich dann zu Glück nicht ablesen muss…). Natürlich gab es in der Sitzung noch andere Punkte, aber ich habe ausnahmsweise mal nicht weiter mitgeschrieben, und deswegen ist mein Bericht hier zu Ende. Ich hoffe, ihr versteht das. Dafür hab ich aber mal die Rede angehängt, die ich eigentlich halten wollte, es aber ja nicht auf die Kette gekriegt habe 🤣Sehr geehrte Vorsitzende Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat, verehrtes Publikum. Ich bin kein Redner oder Redenschreiber, aber ich wills mal versuchen. Privat, als Initiator dieses Bürgerbegehrens sowie in meiner Funktion als gewählter Vertreter dieser Stadt im Stadtrat ist es mir wichtig, die Stadt Herdecke und ihre Bürgerinnen und Bürger vor Schaden zu bewahren. Das nicht nur ich eine Teilprivatisierung der Technischen Betriebe für einen großen Fehler halte, zeigen fast 3000 Bürgerinnen und Bürger, die ihre Unterschriften innerhalb von 3 Wochen abgaben, von denen auch noch 2 Wochen Ferien waren. Aus allen ecken und über alle möglichen Wege wurden die beteiligten nach Zetteln gefragt, viele haben sich diese runtergeladen, ausgedruckt und sind auf eigene Faust bei ihren Nachbarn vorbei gegangen und haben sich die Unterschriften geholt. Über 3 Wochen hinweg fanden sich in Paul Lodwichs und meinem Briefkasten täglich mehrere volle Zettel. Und diese Stimmen sind nicht, wie von Herrn Disselnkötter in der Westfalenpost behauptet wurde, erzwungen worden oder durch Falschaussagen entstanden. Die Bürgerinnen und Bürger haben das aus freien Stücken gemacht, und zum großen teil ohne, das man etwas dazu sagen musste, denn sie haben sich informiert. Etwas, was ich bei Jamaika tatsächlich vermisse, denn in CDU, FPD und bei den Grünen scheint man auf eine Handvoll Personen zu hören, und sich nicht mit Tatsachen zu befassen. Eine dieser Personen, und das ist ja nun mal kein Geheimnis, ist bei einem der größten Entsorger Deutschlands beschäftigt, und dieser Entsorger setzt sich grade in Brüssel, bei der EU, gegen das geltende Mehrwertsteuerprivilig von Komunen ein. Der Grund? Immer mehr Kommunen rekomunalisieren ihre teilprivatisierten Stadtischen Betriebe, den es läuft einfach nicht so wie man sich erhofft hat, und so versucht es Remondis halt mit der Brechstange.Tatsachen, wie sie zu lesen sind in diversen Studien zum Thema Rekommunalisierung.Gründe für die Rekomunalisierung sind immer und überall die gleichen, die hier auch schon mehrfach aufgeführt wurden. Kostensteigerungen sind fast immer der fall, versprochene Einsparungen durch bessere Leistungsoptimierung oder höhere Effizienz bleiben fast immer aus. Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger. Auch das haben wir mehrfach aufgeführt, und dazu reicht ein Blick in Facebook-Gruppen von vergleichbaren Städten mit Public Privat Partnership. Mit wachsender Unzufriedenheit nach so einer Entscheidung verlieren die Bürgerinnen und Bürger zunehmend das Vertrauen in die Politik, und das kann ja nicht im Interesse der Koalition sein. Viele in der Vergangenheit durchgeführte Volks- bzw Bürgerbegehren und Bürgerentscheide haben bewiesen, das große teile der Bevölkerung einer Teil oder Vollprivatisierung kritisch gegenüberstehen, und eben diese Kritische Haltung berüht nun mal auf Erfahrungen anderer. Eine Teilprivatisierung ist nichts neues. Man kann hier der Opposition noch so oft den Vorwurf machen, man wolle nichts neues Ausprobieren, das zeugt nur von eigener Sturheit, denn wenn man sich klar mit so einem Thema beschäftigt, findet man mehr negative als positive Berichte. Man kann noch so oft schreien, es sei ja noch gar kein Vertrag gemacht, aber auch dazu gibt es Studien, das die Privaten unternehmen anfangs allem zustimmen und mit jedem Wunsch mitgehen, diese aber schon nach 2-5 Jahren wieder aus fadenscheinigen Gründen über Bord werfen und selbst die Regeln den Städten diktieren. Ich kann nur an die Vernunft jedes einzelnen Ratsmitgliedes appellieren, hier und heute mit „JA“ zu stimmen für eine Rückführung der TBH zur Stadt und damit gegen eine Teilprivatisierung.